Predigt für Sonntag, den 24 August 2008 in Labastide de Virac
Evangelium: Matthäus 16, 13-20
Predigt: Römer 11, 33-36
Lieder: Arc-en-Ciel 36, 1-2-3 ; 471, 1-2-3 ; 741, 1-2-3-4-5
Spontane Antwortverse: 118, 1; 428, 4; 475, 2; 81, 8; 862 ; 875 ; 151,1 ; 138,2
Das Evangelium zum heutigen Sonntag ist das Glaubensbekenntnis des Petrus, den Jesus von da an Petros (Fels, Fundament) nennen wird. Wir finden es im Matthäusevangelium, Kap. 15, Verse 13-20:
Jesus kam in die Gegend von Cäsaera Philippi. Er stellte seinen Jüngern die Frage: « Wer, sagen die Leute, ist der Menschensohn? »
Sie antworten: « Einige: Johannes. Andere Elia, wieder andere Jeremia oder ein anderer Prophet. »
Und er sagte: « Und ihr, wer sagt ihr, daß ich bin? »
Simon Petros antwortet: « Du bist der Messias, der Sohn Gottes, vom lebendigen Gott! »
Er antwortet: « Gesegnet bist du, Simon, Sohn des Jonas, denn weder Fleisch noch Blut haben dir das offenbart, sondern mein Vater im Himmel! Und ich sage dir: Du bist Petros, und auf diesen Felsen will ich meine Kirche bauen. Die Pforten der Hölle werden sie niemals überwinden. Ich gebe dir die Schlüssel zum Himmelreich. Was du auf Erden binden wirst, soll im Himmel gebunden sein, und was du auf Erden lösen wirst, soll im Himmel gelöst sein. » Und er beauftragte die Jünger, niemandem zu sagen, daß er der Messias sei.
Und wir hören die Epistel zum heutigen Sonntag, über die wir gemeinsam nachdenken wollen. Wir finden sie im Römerbrief, am Ende von Kapitel 11:
O welche Tiefe des Reichtums, der Weisheit und der Erkenntnis Gottes! Wie unergründlich sind seine Weisungen, wie unbegreiflich sind seine Wege! « Wer kennt die Gedanken Gottes, wer könnte sein Ratgeber sein? » « Und wer hätte ihm zuerst etwas gegeben? Soll er doch einklagen, was ihm zusteht! » Alles ist von ihm, durch ihn, zu ihm. Ihm sei alle Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.
Wir singen jetzt vom Lied 471 (A toi, la gloire) 1-2-3 Liebe Freunde, vielleicht hat jemand von euch diese Erfahrung auch schon gemacht: Ich kenne jemanden seit langem, aber nur « von weitem ». Nun hatte ich Gelegenheit, mit diesem Menschen zu Abend zu essen. Wir haben uns sehr gut unterhalten, der Funke ist gesprungen – und ich mußte das Bild völlig korrigieren, das ich mir von diesem Menschen gemacht hatte. Es hatte sich aus einer ersten, kurzen Begegnung ergeben, vor langem schon. Ein Zusammentreffen, das für den anderen etwas unvorteilhaft war, aber es hatte genügt, um mir ein Bild von ihm zu machen – und dieses Bild war völlig falsch! Vielleicht war der andere wirklich etwas linkisch gewesen, oder nicht gut im Strumpf an dem Tag, vielleicht hatte er eine Bemerkung gemacht, die mir in den falschen Hals geraten ist – und schon hatte diese Mensch seinen Stempel weg, schon war er in seiner Schublade versorgt. Nun allerdings war ich froh, daß ich Gelegenheit hatte, diese so grausam falsch Bild korrigieren zu können!
Schlimm, wenn einem so etwas passiert. Belämmernd, wenn jemand sich von dir ein völlig falsches Bild macht. Denn du hast keine Chance: Wie willst du so ein Vorurteil aus der Welt schaffen? Da kommst du nicht mehr heraus! Vielleicht hat der andere dich an einem schwachen Tag erwischt, und nun sind die Würfel gefallen, du kannst da nichts mehr ändern, in seinen Augen kannst du nicht mehr anders werden, nicht mehr dazulernen...
So großartige Kenner der menschlichen Seele sind wir!
Wir sind sehr fix, wenn es darum geht, jemandem seinen Stempel zu verpassen – und sind höchst überrascht, wenn sich eines Tages herausstellt, daß das Bild, das wir uns vom anderen gemacht hatten, überhaupt nicht den Tatsachen entspricht. Und all das ist nichts als die Folge unserer Unfähigkeit, das Leben und die Welt so zu nehmen, wie sie wirklich sind. Denn die Wirklichkeit ist stetigem Wandel unterworfen – und auch die Menschen, denen wir begegnen, verändern sich unentwegt...
Natürlich kann man auf den Gedanken kommen, das Leben wäre um einiges einfacher, wenn es diese Veränderungen nicht gäbe. wir hätten weniger Mühe, uns zurecht zu finden... Tatsächlich ist unsere Gewohnheit, die Menschen, mit denen wir zu tun bekommen, « einzuordnen », zu beurteilen, nichts anderes als die Folge unserer Unsicherheit dem Leben gegenüber. Wer sich verloren vorkommt, wird sich eine Weltsicht zurechtlegen, die ihm Sicherheit verleiht, vielleicht auch eine Gottesvorstellung – selbst auf die Gefahr hin, dem gleichen Irrtum zu erliegen wie das Kind in der Eisenbahn, das sich wundert, wenn sich plötzlich die Häuser draußen in Bewegung setzen...
Liebe Freunde, wir basteln uns pausenlos Bilder, Vorstellungen – und zwar nicht allein von den Menschen um uns her, sondern auch von Gott! Ich möchte sogar behaupten, von nichts auf der Welt gibst es soviele falschen – und gefährlich falschen! - Bilder wie von Gott!
Denn jede Gottesvorstellung (und sei sie mit höchster philosophischer oder tehologischer oder geistlicher Kompetenz fabriziert!) trägt den Keim des Irrtums in sich. Die Bibel würde sogar Sünde dazu sagen! Denn es ist nicht von ungefähr, daß das zweite der zehn Gebote sagt: Du sollst Dir kein Bild, keine Vorstellung machen – übrigens nicht nur « von dem, was oben ist », also von Gott, sondern auch « von dem, was unten auf Erden ist » (also von denen, die Menschen sind wie wir, und auch « von dem was im Wasser unter der Erde ist » (damit ist das gemeint, was nach dem Tode kommt).
Denn in der Tat: Mit jedem Bild, das wir uns machen, sei es von Gott oder welcher anderen Wirklichkeit auch immer, trennen wir uns von dieser Wirklichkeit und machen uns blind für die Art, wie diese Wirklichkeit heute auf uns zukommen und einwirken will.
Dabei ist es ohne Belang, ob das Gottesbild, das wir uns gebastelt haben, ein Mosaik aus vielfältigen Erfahrungen ist, die wir mit Gott haben machen können, oder ob unsere Gottesvorstellung das Ergebnis irgendeiner Lehre ist, ob wir es aus dem Kindergottesdienst oder dem Religionsunterricht mitbekommen haben, aus der Predigt oder anderen mehr oder weniger zuverlässigen Quellen. Die Tatsache allein, daß wir uns eine Gottesvorstellung machen, ist problematisch, weil wir damit Gott begrenzen, ihn auf das festlegen, was gestern war. Kurz: jede Vorstellung, die wir uns von Gott machen, trennt uns von ihm, von seiner lebendigen Gegenwart, die alles anders werden lassen kann!
Paulus war übrigens überzeugt, daß nicht einmal die Bibel insgesamt, nicht einmal alle Heiligen Schriften zusammengenommen, alle Tiefen der Wahrheit Gottes ausschöpfen.
Ich bin gewiß, daß die Bibel alles enthält, was wir von Gott wissen müssen – aber sie sagt uns keineswegs alles, was man über Gott sagen oder wissen kann!
Trotz und mit dem offenbarten Wort Gottes – wird Gott immer Mysterium, Geheimnis bleiben. Und hoffentlich: ein geliebtes Geheimnis!
Gott wird immer unendlich viel größer sein und unendlich viel vielfältiger – sogar als alles das, was uns sein eigenes Wort offenbart!
Und wir? Wir sind eingeladen, uns selber gegenüber auf der Hut zu sein, damit wir nicht die Wege blockieren, auf denen Gott zu uns kommen will: Etwa durch Wissen oder Vorstellungen, durch Spekulationen oder Lehrsätze, die wir uns von ihm machen.
Wir brauchen eine besondere « Geistesgegenwart », wir brauchen die Hilfe des Geistes Gottes, um bereit und offen zu sein, wenn Gott gegenwärtig wird, wenn seine belebende und verändernde Wirklichkeit in unser Leben trifft. Darum tun wir gut daran, immer wieder darum zu bitten, daß Gott uns die Augen des Herzens öffnet, damit wir den Reichtum seiner Weisheit erfassen, die Tiefe seiner Wahrheit, die er uns immer wieder wahrnehmen läßt – Und wir schauen allzu oft in die falsche Richtung!
Es ist richtig, daß die Wahrheit Gottes sehr oft nur in winzigen Bruchstücken wahrnehmbar wird. Aber wenn wir ein solches Fragment nur wirklich entdecken und erfassen und bewundern, dann werden wir aus dem Staunen über die Gegenwart des Ewigen in unserem Alltag nicht herauskommen: Wir werden da unentwegt und in Überfülle unverdient beschenkt!
Die Wege Gottes sind unergründlich. Unerforschlich sind seine Ratsschlüsse. Und dennoch: Wer nur einigermaßen offenene Auges durch sein Leben geht, der wird nicht übersehen können (zumindest in Augenblicken der Rückschau und der Besinnung), daß die Weisheit Gottes größer ist als alles, was wir hätten von uns aus voraussehen oder denken, planen oder befürchten können...
Gott bringt uns immer wieder mit dem Leben in Beziehung – selbst wenn er uns auf Wege führt, die wir von uns aus nicht gewählt hätten. Gott führt uns seinem Licht, seiner Fülle entgegen – und wir brauchen uns dem nur anvertrauen. Nicht etwa, weil es unserer Lebenserfahrung entspricht oder weil der Herr Pfarrer es gesagt hat. Sondern weil wir Vertrauen haben dürfen.
So werden wir es nicht nötig haben, uns ein fest gefügtes Bild von Gott zu machen.
Übrigens auch deshalb nicht, weil er ja selber sich uns gezeigt hat! In Jesus ist Gott in unsere Welt gekommen, in dem, der bereit war, für uns in den Tod zu gehen – für uns und für die Welt, die er so sehr geliebt hat (und die uns oft so wenig liebenswert erscheint...).
Wir müssen also nicht alles über Gott wissen. Es reicht völlig, das zu wissen, was Jesus für uns gelebt hat. Er war bereit, ein Sklavenleben auf sich zu nehmen, wie es die Menschen leben. Er ist nicht gekommen, um sich verehren zu lassen (darum wollte er auch nicht, daß die Jünger seine Messianität an die große Glocke hängen). Er ist gekommen, um zu dienen, um den steinigen Weg des Gehorsams und der Demut zu gehen, bis zum Tod, ja bis zum Tod am Kreuz.
Natürlich kann es sein, daß der eine oder andere nicht ganz einverstanden ist mit dem, was ich sage. Man kann mir vorwerfen, daß ich Gott und Jesus verwechsle. Nicht der allmächtige Gott ist am Kreuz gestorben, sondern nur Jesus... Eine einfache (und gängige) Weise, sich das Ärgernis des Kreuzes vom Hals zu halten – das tiefste Mysterium unseres Christenglaubens.
Aber es genügt, das Johanneswort zu bedenken, das uns im Temple von Vallon begleitet: « Gott ist Liebe, und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott, und Gott in ihm ». Wenn Sie dieses Wort eines Tages einmal radikal ernst nehmen, dann werden Sie entdecken: Der allmächte Gott ist zugleich ein zutiefst verletzlicher, schwacher Gott – selbst wenn er der Herr des Alls ist!
Es ist doch wahr: Keine Macht der Welt ist der der Liebe gleich. Die Liebe ist sogar stärker als der Tod. Und dennoch: Wer von uns weiß nicht, wie verletzlich die Liebe ist (wenn sie wirklich diesen Namen verdient!). Wer weiß nicht, daß es keine Liebe ohne Leiden gibt, ohne Mit-Leiden, Mitleid beispielsweise mit denen, die an Liebesmangel leiden oder unter Einsamkeit, oder unter Ungerechtigkeit – oder vielleicht auch unter den Folgen ihrer eigenen Irrtümer und Egoismen...
Der allmächtige, unergründliche Gott hat sich in Jesus Christus zu erkennen gegeben, damit wir nicht mehr anderswo suchen, damit wir es nicht mehr nötig haben, angstvoll oder neugierig hinter den Vorhang schielen zu wollen, der uns vom unergründlichen Geheimnis Gottes trennt.
Seit Jesus können wirs zufrieden sein, daß er uns Zeugen seiner Gegenwart werden läßt, im Geiste seiner Liebe.
Anders gesagt: Gott will nicht, daß wir in Angst vor seiner Allmacht erzittern. Er macht uns ganz im Gegenteil zu Trägerns seines Lichts. Denn schon mitten in den Zweideutigkeiten dieser Welt sind wir erfaßt und durchdrungen von seinem Licht, das in unseren Alltag kommt, zuweilen freilich in so irdischer Verpackung (Paulus sagt: « In irdenen Gefäßen »), manchmal so schwach und unscheinbar, daß viele blind daran vorüber gehen.
Wir aber haben ihm begegnen dürfen. Und so werden wir es wahrnehmen können, selbst wenn es zuzeiten verdunkelt scheint durch Sorgen oder Schmerz, durch Konflikte oder Schwierigkeiten, die ja leider auch zu unserer Weltwirklichkeit gehören.
Damit sind wir aufgefordert, selbst zu Zeugen, zu Trägern dieses Lichts zu werden. Aus eigenen Kräften ist das nicht zu schaffen. Wir sind aber eingeladen, uns einzufügen in den lebendigen Christusleib auf Erden. Und Christus selber wird uns dazu brauchen, daß seine Liebe bis zu denen kommt, die er damit beschenken will. Amen.
Barmherziger Gott,
du hast diese unsere Welt geschaffen, du begleitest und behütest sie.
Eingeborener Sohn des Vaters, du bist zu uns gekommen, um in ein Sklavendasein einzutauchen, wie es die Menschen leben, ihnen gleich.
Gottesgeist, du bist gegenwärtig und wirksam unter uns, um dein Licht zum Leuchten zu bringen, damit es bis zu denen dringt, die es nötig haben. Wir bitten dich, schenke uns allen, daß wir uns vom Geheimnis deiner Allmacht ansprechen lassen – die nichts als ... Liebe ist!
Wir danken dir für deine Liebe und preisen sie.
Und wir fassen deine Hand, um Fürbitte zu tun für alle, die uns am Herzen liegen – und die du uns anvertraut hast: Die Gemeinschaft deiner Kirche, die uns wichtig und lieb ist – obwohl wir zuzeiten auch an ihr leiden. Segne alle, die bereit sind, in deinem lebendigen Leib wirksam zu sein. Die Pfarrer und alle, die ein Amt ausüben, und alle die vielen Freiwilligen: Ermutige sie und erleuchte sie durch das Licht deiner Liebe.
Wir bitten dich für die Völker und die Nationen und für alle, die in ihnen Verantwortung tragen. Und wir bitten dich auch für alle « unwichtigen Leute », wie man so sagt.
Wir bitten dich für alle, die sich in Gefahr befinden. Besonders wo das Leid groß ist, laß dort die Kraft deiner Liebe um so größer werden.
Und wir bitten dich für Israel, dein geliebtes Bundesvolk. Schenke du Klarsicht und Wege in einen Frieden, der Israel und seinen Nachbarn Zukunft eröffnet.
Und wir bitten dich heute ganz besonders für jeden einzelnen Menschen, durch den du uns nahekommen willst: Wir bitten dich für die Eltern, daß sie dich fürchten, und für die Kinder, daß sie dich in ihren Eltern verstehen lernen.
Wir bitten dich für die Kranken und die Behinderten, und auch für alle, die uns Mühe machen. Für alle, die du rufst in dein himmlisches Reich, bitten wir dich: Laß sie an deinem Ruf nicht vorübergehen. Amen.